Schöner Warten – Mein Buchrückblick
„Alles nimmt ein gutes Ende, für den, der warten kann.“ (Leo Tolstoi)
Vor gut einem Jahr habe ich mein erstes Buch „Schöner Warten“ veröffentlicht. Zeit, ein kleines Resümee zu ziehen. Wie habe ich es geschafft, ohne Ahnung von der Buchbranche, bei einem großen Verlag unterzukommen? Was hat beim Marketing geklappt, was nicht? Und hat sich am Ende der ganze Aufwand für mich gelohnt?
Idee und Exposé
Foto Jürgen Rösner
Schöner Warten ist ein Coronaprojekt. Im Jahr 2021 ergatterte ich zusammen mit ein paar Kollegen eine Förderung des Fonds Darstellende Künste in Berlin. Daraus entstand die Kunst-Installation „Schöner Warten“:
an einer alten englischen Haltestelle haben wir eine Telefonhotline eingerichtet, in der man die Kunst des Wartens lernen kann. Zu bestimmten Zeiten gibt es die Möglichkeit, mit einem persönlichen Warteberater zu sprechen, einem Menschen, der dir in einem echten Gespräch beim Warten hilft. Darunter waren Persönlichkeiten wie Torsten Sträter, Bernhard Hoëcker oder Reiner Calmund. Nach der Premiere auf dem Festival „Welttheater der Straße“ in Schwerte Ende August 2021 stand der nächste Coronawinter an. Auftrittsflaute, nichts zu tun.
„Gut, dann schreibst du halt ein Buch über das Warten“, dachte ich mir. Da ich keine Ahnung von der Buchbranche hatte, suchte ich mir Unterstützung. Karen Christine Angermayer half mir bei der Entwicklung eines Exposés. Erster guter Tipp von ihr: stelle alle Texte zusammen, die du schon zu deinem Thema geschrieben hast – egal ob lang oder kurz, gut oder schlecht. Schnell hatte ich mein Ausgangsmaterial beisammen, das ich im nächsten Schritt überarbeitete. Nach knapp 3 Monaten war ich damit zufrieden. Neben den Antworten auf die üblichen Fragen (Worum geht es? Wer kauft es? Wie lang soll es sein und was ist daran besonders?) bestand mein Exposé aus knapp 50 Seiten Text und einigen schönen Illustrationen von Yann Ubbelohde, der auch die Bildsprache der Kunstinstallation gestaltet hatte.
„Ich kenne eine Literaturagentin, der schicke ich es mal“, meinte Christine. Morgens ging die mail raus. Mittags hatte ich die Antwort: „Sie findet es großartig und will mit dir zusammenarbeiten.“
Ich musste erstmal den Namen der Agentur googeln: Schlück aus Hannover, eine der größten und renommiertesten Literaturagenturen in Deutschland. Da hatte ich wohl Dusel 😊.
Es verging einige Zeit, bis ein kleinerer, aber bei Buchhandlungen sehr angesehener Verlag aus München Interesse zeigte. Die Sache hatte einen Haken. Für die geplanten Zeichnungen wollte der Verlag einen hauseigenen Illustrator einsetzen. Das hätte das Aus für Yann bedeutet. Da ich treu bin und seine Arbeit sehr schätze, antwortete ich, dass Yann für mich gesetzt sei. Das Interesse des Verlags verschwand. Wieder verging viel Zeit, bis nach ca. sechs Monaten Bastei-Lübbe aus Köln ein Angebot machte. Wir einigten uns, ich erhielt einen guten Vorschuss, mit dem ich Yann mitfinanzierte und wir legten los. Für das Buchcover verhandelte Yann ein zusätzliches Gehalt. Ich konnte also nicht nur beim Inhalt, sondern auch bei der ganzen Anmutung des Buches mitgestalten. Super!
Bisher lief alles wie geschmiert. Meine Ahnungslosigkeit war hilfreich. Ich kam gar nicht auf den Gedanken, dass das Projekt nicht klappen könnte. In den wichtigen Gesprächen blieb ich locker und unbestechlich und machte mir keinen Kopf.
Erst heute weiß ich, wie schwer es im Moment ist, Bücher bei Verlagen unterzubringen. Ein Glück, dass mir das vorher niemand gesagt hat.
Schreibprozess
Über den Schreibprozess könnte ich einiges erzählen – das spare ich hier aus.
Nur so viel: da es mein erstes Buch war, wollte ich es besonders gut machen und habe sehr viel Zeit investiert (ca. 5 -6 Monate). Ich hatte einen Freund und Kollegen als „Vorlektor“, der mir schon während des Schreibens regelmäßig Feedback gab. Am Ende war ich überrascht, dass die eigentliche Verlagslektorin nichts Großes mehr anmerkte und den Text praktisch unverändert durchwinkte.
Vermarktung
Ein Buch schreiben und ein Buch vermarkten sind zwei ganz eigene Dinge, die man parallel angehen muss. Du kletterst nicht zuerst auf den einen Berg und dann auf den nächsten. Es ist eher wie das Besteigen eines „Kamins“. Während du auf der einen Seite noch schreibst, musst du auf der anderen Seite bereits das Marketing planen.
Kurze Zeit sah es so aus, als könnte mein Buch als „Top Titel“ ins Rennen gehen – das hätte bedeutet, dass der Verlag mehr Marketing-Power in mich investiert. Am Ende entschied man sich für ein anderes Werk. Große Verlage veröffentlichen unzählige Bücher im Jahr. Einige wenige Bücher finanzieren den ganzen Rest. Parallel zu meinem Werk erschienen die neuen Bücher von Arnold Schwarzenegger und Ken Follett. Logisch, dass die beiden für den Verlag viel wichtiger sind. Schnell habe ich kapiert, dass ich mich um mein Marketing selbst kümmern muss.
Am Anfang aber klappte fast nichts wie erhofft. Ich fand niemanden, der mir im Vorfeld bei der Orga von Lesungen half. (Theater planen ja lange Zeit im Voraus) Von meinen vorhandenen Medienkontakten bekam ich aus unterschiedlichsten Gründen eine Absage nach der anderen – auch von Formaten, wo ich dachte, mein Thema würde super passen. Da ich nicht vom Schreiben lebe, musste ich nebenbei mein Tagesgeschäft wuppen und kam zeitlich an meine Grenzen.
Immerhin hatte ich Thorsten Schiller an meiner Seite – ein sehr kreativer Kopf, der mich mit vielen guten Ideen unterstützt. Zusammen mit ihm besuchte ich zum ersten Mal die Frankfurter Buchmesse und schaute bei meinem Verlag vorbei. Der Messestand war riesig und komplett überfüllt. Aufgeregt suchte ich mein Buch, fand es aber nicht. Ich guckte nochmal ganz genau. Es war nicht da. Ganze Bücherwände voll mit Arnold Schwarzenegger und Ken Follett. Mein Buch: Fehlanzeige. Verkaufte sich das Teil am Ende so schlecht, dass sie es gar nicht mitgenommen haben? Ich machte mich aus dem Staub, ohne mich am Empfang zu melden. Ein paar Stunden klapperten Thorsten und ich die anderen Hallen ab, bis er mich erneut in Richtung Messestand schob: „Du gehst da jetzt hin und sagst zumindest kurz „Hallo“!
An der Empfangstheke entdeckte mich mein Verlagskontakt und entschuldigte sich sofort: „Tut mir total leid, Armin, das Transportunternehmen hat leider deine Bücher im Lager vergessen.“
Wir sitzen im Zug zurück nach Köln. Keine Lesungstermine, keine Pressetermine, kein Buch am Messestand und im Amazonranking irgendwo im Niemandsland…
Thorsten guckt mich an und fragt: „Was ist der Kern deines Buches?“
Ich überlege kurz und antworte: „Abwarten“.
Wir entscheiden uns fürs Nichtstun und kontaktieren erstmal keine Medien mehr.
Resonanz
Einige Wochen später meldete sich eine Journalistin für ein Interview. Im Auftrag der Stuttgarter Zeitung arbeitete sie an einem längeren Artikel über die Kunst des Wartens in der Vorweihnachtszeit. Warten und Weihnachten passt perfekt! Ich erwachte aus meinem Marketing-Tiefschlaf und legte los. In der ARD-Mediathek recherchierte ich alle geeigneten Radio- und Podcast Formate, samt Kontaktdaten. Das ist aufwändig und mühsam. Im Normalfall findest du nur allgemeine E-Mail-Adressen. Die Mails, die du losschickst, müssen sehr gut und individuell formuliert sein.
Das Schöne: es gab endlich Resonanz. Neben der Stuttgarter Zeitung gab ich ein großes Interview für die WELT am Sonntag und den Kölner Stadtanzeiger und schaffte es in einige Radioformate von NDR, SWR, rbb und BR. Plötzlich lief es. Und wenn es läuft, dann läuft es. Mein Sechser im Lotto wurde ein Interview für die dpa, das mir Monika Scheddin vermittelte. (Danke nochmal!) Ich erschien in allen großen und kleinen Zeitungen, darunter Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel, Frankfurter Rundschau, ntv usw. Es klappten Interviews für die Brigitte und ich war Gast in mehreren TV-Formaten des Bayrischen Rundfunks. Mein Highlight war die Einladung auf die „Blaue Couch“ von Bayern 1, eine der besten Radiotalkshows in Deutschland. Es war kein Zufall, dass die Resonanz in Bayern besonders hoch war. Ich stamme aus Freilassing, das habe ich bei der Kontaktaufnahme mit dem BR natürlich erwähnt. Medien mögen Lokalbezug.

Bis heute gibt es keine einzige Presserezension meines Buches. Dieses sehr enge „Zeitfenster“ kurz vor und nach der Buchveröffentlichung habe ich verpasst. Die Presseresonanz gab es nur, weil ich mein Thema Warten zum richtigen Zeitpunkt lanciert habe – zu Weihnachten und vor den Sommerferien (Warten im Stau!) Timing ist alles.
Ich habe keinen einzigen Cent ins Marketing investiert. Eine teure Presseagentur wollte und konnte ich mir nicht leisten. Natürlich hat mich das brutal viel Zeit gekostet. Hätte ich diese Zeit in Auftrittsakquise gesteckt, wäre ich am Ende des Jahres 24 finanziell sicher besser dagestanden. Aber am Ende meines Lebens gibt es eh keine Ausstellung der Excellisten meiner Jahresumsätze, sondern eine Ausstellung der Werke, die ich kreiert habe.
Installation und Show zum Buch
Das Buch fügt sich wunderbar in das bereits vorhandene Schöner Warten Universum. In der Ruhezone der „Schöner Warten Installation“ (die man hier buchen kann) sitzen meist ein paar Zuschauer und schmökern im Buch.
Schöner Warten Ruhrfestspiele Recklinghausen
Schöner Warten Show Schwerte
Auch eine Schöner Warten Bühnenshow habe ich entwickelt, einen kurzweiligen Abend über Langeweile, Ausdauer und Geduld. Hier der Pressetext:
Hereinspaziert!
Der Warteberater und Autor Armin Nagel erwartet Sie zu einem besonderen Ausdauer-Training. Mit seinem aktuellen Buch “Schöner Warten” hat er eine Hommage an die Kunst des Wartens vorgelegt: Obwohl im Warten Hoffnung steckt, wartet niemand gern. Wartezeit empfinden wir oft als verlorene Zeit. Wir übersehen, dass Warten eine Kunst ist, ein unerwartetes Geschenk, das uns positiven Freiraum bietet. „Schöner Warten“ ist ein Geduldsmuskel-Training und humorvolles Plädoyer für die Kraft der Pause!
Das Besondere an diesem unterhaltsamen, multimedialen Abend: er spielt mit der Zeit. Eine Uhr auf der Bühne zählt die verbleibenden Minuten des Performers herunter – aber Sie liebes Publikum können die Zeit verlängern. Für je zehn Sekunden Applaus erhält der Akteur fünf Minuten mehr Bühnen-Zeit.
Ist das ein Deal?
Kaufen Sie ihr Ticket und bringen Sie genügend Zeit mit!
Worauf warten Sie?
Tournee durch deutsche Kulturbahnhöfe
Da ich nicht berühmt bin und keine Millionen Follower habe, ist der Ticketverkauf eine Herausforderung. Wir mussten wieder erfinderisch sein. In Deutschland gibt es über 100 Kulturbahnhöfe, da passt das Thema Warten perfekt. Für Februar / März haben wir eine erste kleine NRW-Tour auf die Beine gestellt:
22.2.25 Kulturbahnhof Morsbach
Ich freue mich über Besuch!
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